Interkulturelle Öffnung im Gesundheitswesen

Sonderausgabe anlässlich des Internationalen Tages der Pflegenden
Heute am 12. Mai ist der Internationale Tag der Pflegenden. Diese Sonderausgabe des Newsletters „Interkulturelle Öffnung im Gesundheitswesen“ ist den vielen Internationalen Pflegekräften im deutschen Gesundheitswesen gewidmet. Die im nachfolgenden Text verlinkten Studien und Websites geben einen Überblick über die aktuelle Situation von Internationalen Pflegekräften in Deutschland, haben aber keinen unmittelbaren Bezug zum Internationalen Tag der Pflegenden.
 

Website des ICN zum Internationen Tag der Pflegenden
Der Aktionstag soll an den Geburtstag von Florence Nightingale erinnern und wurde 1965 durch den International Council of Nurses (ICN) zum ersten Mal ausgerufen. In diesem Jahr steht der Tag unter dem Motto „Our Nurses. Our Future. Caring for nurses strengthens economies“.
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Zur Situation Internationaler Pflegekräfte in Deutschland

Das Jahresgutachten 2022 des Sachverständigenrates für Integration und Migration betont, dass ohne eingewanderte Fachkräfte das deutsche Gesundheitssystem vor einem Kollaps stehen würde. Zahlen der Bundesagentur für Arbeit belegen diese These eindrucksvoll. So geht das Beschäftigungswachstum in der Pflege seit 2022 ausschließlich auf Pflegekräfte aus dem Ausland zurück (Bundesagentur für Arbeit 2024). Im Jahr 2024 hatten 18 Prozent der 1,7 Millionen Beschäftigten der Pflege eine ausländische Staatsangehörigkeit (Mediendienstes Integration 2025). Auch Menschen mit Einwanderungsgeschichte sind in Pflegeberufen überdurchschnittlich vertreten. So hatten im Jahr 2023 knapp ein Drittel (31%) der Beschäftigten in der Altenpflege eine Einwanderungsgeschichte (Statistisches Bundesamt 2025). Einen guten Überblick zur Entwicklung der Anzahl ausländischer Beschäftigter in der Pflege, differenziert nach Herkunftsländern und Tätigkeitsniveau bietet der IAB-Forschungsbericht 22/2024.
 

Strategien zur Förderung der Zuwanderung von Fachkräften
Um die Zuwanderung von Fachkräften zu beschleunigen, wurde im Juli 2023 das Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung beschlossen. Es soll dafür sorgen, dass Fachkräfte schneller und unbürokratischer in Deutschland arbeiten können. Auch die neue Bundesregierung schreibt in ihrem Koalitionsvertrag das die Zuwanderung von Fachkräften bei gleichzeitiger Förderung der Qualifizierung im Herkunftsland unterstützt werden soll. Parallel dazu fordert ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis die Bundesregierung dazu auf, angesichts des Fachkräftemangels alle vorhandenen Potentiale von hier ankommenden und lebenden Menschen nutzen und Hürden für die Qualifikation und Arbeitsaufnahme abzubauen. Auch der Verein demokratischer Ärzt*innen (vdää*) kritisiert in einer Pressemitteilung die Ausweitung der gezielten Abwerbung von Gesundheitsfachkräften aus dem Ausland. Durch Abwerbung von Pflegefachkräften werden Gesundheitspersonalengpässe lediglich in andere Länder verschoben. Wenn Abwerbung, dann sollte sie in gute Arbeitsbedingungen führen und die Situation im Herkunftsland berücksichtigen.

Aktuell fördert die Bundesregierung die Zuwanderung von Pflegekräften aus dem Ausland durch zahlreiche Programme wie Triple Win oder die Westbalkan Regelung sowie durch Informations- und Beratungsangebote wie Make it in Germany oder die Zentrale Servicestelle Berufsanerkennung (ZSBA). Weitere Maßnahmen können dem Achten Pflegebericht der Bundesregierung (S. 67) oder dem Paper Anwerbung von Pflegekräften aus Drittstaaten der Friedrich-Ebert-Stiftung entnommen werden. Zusätzlich verabschieden einzelne Bundesländer wie bspw. Hamburg oder auch Bayern Strategien zur Sicherstellung des Fachkräftebedarfs in den Gesundheits- und Pflegeberufen und sehen darin die Förderung der Fachkräftezuwanderung und Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Einwanderungsgeschichte vor. Auch einzelne große Gesundheitsversorger wie bspw. die Charité machen sich auf den Weg Pflegekräfte im Ausland zu rekrutieren.
 

Anerkennung von Berufsqualifikationen und Arbeitsmarktintegration
Trotz der vielen Bemühungen bleibt die Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen eine große Hürde für die Arbeitsmarktintegration von Internationalen Pflegefachkräften. Das Recherchenetzwerk CORRECTIV hat anhand von Zahlen des Bundesverbandes privater Anbieter und sozialer Dienste (bpa) errechnet, dass aktuell ca. 11.000 fertig ausgebildete Pflegekräfte aus anderen Ländern im sogenannten Anerkennungsverfahren festhängen. Deutschlandweit wurden 2023 insgesamt 62.097 Anträge auf Anerkennung einer ausländischen Berufsqualifikation gestellt. Die meisten Anerkennungsverfahren (61,7 %) beziehen sich auf medizinische Gesundheitsberufe. (Achter Bericht zum Integrationsmonitoring der Länder Bericht 2025

In Deutschland angekommen stehen Internationale Pflegefachkräfte vor der Herausforderung des Ankommens in einem zunächst fremden Land. Der 14. Integrationsbericht der Bundesregierung sowie eine 2024 veröffentlichte Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beleuchten die Integration von Zugewanderten in Deutschland. Die Berichte befassen sich mit Themen wie Teilhabe, Chancengleichheit, Arbeitsmarktintegration, Bildungserfolgen sowie Diskriminierungserfahrungen. Wie Internationale Pflegekräfte ihre Situation erleben zeigen ein Interview mit einer Pflegefachkraft von den Philippinen und eine Erhebung des Wissenschaftszentrums Berlin unter polnischen 24-Stunden-Pflegekräften. Eine Studie von Schumann et al (2024) analysiert wie Pflegeteams in Deutschland den Übergang zur Akademisierung und Internationalisierung erleben. Projekte wie das in Niedersachsen laufende Projekt Start Guides unterstützen Menschen mit Einwanderungsgeschichte gezielt beim Berufseinstieg in Sozial- und Gesundheitsberufe. Auch gibt es in vielen Einrichtungen des Gesundheitswesens mittlerweile Integrationsbeauftragte, die Internationale Pflegekräfte beim Ankommen unterstützen. Einen Überblick dazu bietet die Broschüre Das kultursensible Krankenhaus (S. 58ff) herausgegeben durch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung.
 

(Anti-)Diskriminierung von Pflegekräften
Das Deutschland im Ranking der beliebtesten Einwanderungsländer zuletzt auf Platz 53 abgesunken ist, liegt nicht zuletzt daran das Ankommen und Leben in Deutschland als sehr kompliziert empfunden werden. Auch Diskriminierungserfahrungen im beruflichen Umfeld sind sicherlich ein Faktor. Eine Studie von Yolic et al (2022), eine Befragung von Altenpflegekräften in Ostdeutschland sowie eine Erhebung unter philippinischen Pflegekräften liefern Belege für das Ausmaß und die Dimensionen von erlebten Rassismus in Pflegeberufen in Deutschland. Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung untersucht umfassend die Migrationsentscheidungen von EU- und Drittstaatsangehörigen, die Deutschland wieder verlassen haben und analysiert, unter welchen Bedingungen eine Rückkehr für diese Personen attraktiv wäre.

Politik und Zivilgesellschaft stemmen sich aktuell mit Positionspapieren, Aufrufen und gemeinsamen Resolutionen gegen die stärker werdenden rechtsextremen Kräfte in Deutschland. In einem gemeinsamen Aufruf richten sich Bundesärztekammer (BÄK), Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Deutscher Hebammenverband (DHV), Deutsche Krankenhausgesell­schaft (DKG), Deutscher Pflegerat (DPR), Marburger Bund (MB) und Verdi an Politik sowie Gesellschaft und fordern sich im Sinne einer funktionierenden Gesundheitsversorgung für ein weltoffenes und tolerantes Land einzusetzen. In einer Resolution gegen Rassismus, Gewalt und Diskriminierung gegenüber den Mitarbeitenden im Gesundheitswesen betonen das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium und weitere zentrale Akteur:innen des Gesundheitswesens in NRW die enorme gesellschaftliche Bedeutung der Menschen im Gesundheitswesen. Anlässlich der Kanzlerwahl und der Vereidigung der neuen Bundesregierung fordert ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis eine Migrationspolitik, die verantwortlich handelt, statt eine offene und vielfältige Gesellschaft in Frage zu stellen.

In der Praxis der Gesundheitsversorgung werden auch bereits einige Projekte und Maßnahmen unternommen um Diskriminierung im Umgang zwischen Personal und Patient:innen sowie im Team zu reduzieren. So setzt die Charite in Berlin mit Empowerment für Diversität ein breit angelegtes Projekt zu diesem Thema um. Auch die Projekte Rassismus macht krank der Arbeitsgemeinschaft Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge in Niedersachsen e.V. sowie Rassismus im Gesundheitswesen – rassismuskritische Bildung und Organisationsentwicklung im Gesundheitswesen der Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus setzen sich für mehr Diversität und Abbau von Rassismus im Gesundheitswesen ein. Darüber hinaus setzen sich einzelne Gesundheitsversorger und Berufsverbände für ein respektvolles Miteinander ein. So möchte die Medizinische Hochschule Hannover Diskriminierung in jeder Form sichtbar machen, und hat dazu die Antidiskriminierungsplattform SayIt! ins Leben gerufen. Das UKE in Hamburg hat die Stelle einer Vorstandsbeauftragten für Migration, Integration und Anti-Rassismus geschaffen und auch die Antirassismusbeauftragten der Ärztekammern in Hessen sowie Sachsen tragen zu einem diskriminierungsarmen Gesundheitswesen bei.
 

Was die Zukunft bringen wird
Was die Zukunft bringen wird, lässt sich schwer voraussagen. Sicher ist, dass wir ohne Internationale Pflegekräfte kein funktionierendes Gesundheitswesen in Deutschland aufrechterhalten werden können. Der demografische Wandel verbunden mit einem anwachsenden Fachkräftemangel in vielen Branchen macht die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland unumgänglich. Darüber hinaus dürfen wir nicht die Menschen, die sich bereits in Deutschland aufhalten und sich eine Integration in den Arbeitsmarkt wünschen, vergessen. Nur ein mehrgleisiges Vorgehen wird helfen Lösungen für den Fachkräftemangel in den Pflegeberufen zu finden. Dazu gehören auch ernstgemeinte Strategien gegen Diskriminierung und Rassismus. Ansonsten verlieren wir die gewonnen Fachkräfte wieder und bringen unser Gesundheitssystem in eine gefährliche Schieflage. 

Autor: Marcus Wächter-Raquet
E-Mail: marcus.waechter@gesundheit-nds-hb.de

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Die Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen e. V. (LVG & AFS Nds. HB e. V.) ist ein gemeinnütziger, unabhängiger und landesweit arbeitender Fachverband für Gesundheitsförderung, Prävention und Sozialmedizin mit Sitz in Hannover. Mitglieder sind Institutionen und Personen aus dem Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich.