█ WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG
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Rückgang der Spermienmotilität bei Spenderkandidaten in einer Samenbank in Dänemark (Recent decline in sperm motility among donor candidates at a sperm bank in Denmark) Emilie Lassen, Allan Pacey, Anne-Bine Skytte, Robert Montgomerie
Die Spermienmotilität von jungen Männern hat während der Pandemie abgenommen, wie eine Analyse der weltweit größten Samenbank in der Fachzeitschrift Human Reproduction zeigt. Ein Rückgang der Spermienkonzentration im Ejakulat, den andere Forscher:innen seit längerem beobachten und als bedenklich für die männliche Zeugungsfähigkeit einstufen, konnte jedoch nicht festgestellt werden.
Cryos International aus Aarhus, die weltweit größte Samenbank, setzte ihren Betrieb während der Pandemie nur kurzfristig aus. In der übrigen Zeit wurde sichergestellt, dass die Spender nicht mit SARS-CoV-2 infiziert waren.
Während der Pandemiezeit konnten Veränderungen im Spermiogramm der Spender festgestellt werden. Von den 6.758 dänischen Männern, die sich von 2017 bis 2022 als Samenspender registrieren ließen, wurden nur 1.839 aufgrund eines positiven Spermiogramms akzeptiert. Eine niedrige Spermienmotilität, gemessen am „total motile sperm count“ (TMSC) war ein Grund für eine Ablehnung als Samenspender. Langsame Spermien sind zwar grundsätzlich befruchtungsfähig, die „Erfolgsrate“ bei der künstlichen Befruchtung ist jedoch vermindert.
Ein Forschungsteam um Robert Montgomerie von der Queen’s University in Kingston, Ontario, analysierte die Spermiogramme der Bewerber und stellte fest, dass es einen Rückgang des TMSC von 61,4 Millionen im Jahr 2019 auf 48,1 Millionen im Jahr 2022 (jeweils pro Ejakulat) gab - ein Minus von 22 %. Auch die Konzentration der motilen Spermien pro Ejakulatmenge verringerte sich gegenüber den Vorjahren um 16 %.
Da die Samenbank während der ersten Krankheitswelle geschlossen war und später nur negativ getestete Spender zugelassen wurden, schließen die Forscher:innen eine SARS-CoV-2-Infektion als Ursache aus und nahmen den Bewegungsmangel während der Lockdowns als eine wahrscheinlichere Ursache an. Frühere Studien haben laut Montgomerie bereits gezeigt, dass sitzende Tätigkeiten die Spermienmotilität negativ beeinflussen.
Auch in Dänemark durften die Menschen zeitweise ihre Häuser nicht verlassen und die Maßnahmen zur Kontaktvermeidung dürften viele jüngere Männer veranlasst haben, weniger Sport zu treiben. Wenn diese These zutrifft, dann sollte sich die Motilität nach dem Ende der Pandemie wieder erholen. Eine weltweite Krise der Zeugungsfähigkeit ist wohl nicht zu befürchten. Die von Hagai Levine von der Hebräischen Universität von Jerusalem in früheren Metaanalysen prognostizierte weltweite Krise der Zeugungsfähigkeit konnte nicht bestätigt werden. Levines Studien hatten behauptet, dass die Spermiendichte seit 1972 jährlich um 1,16 % und seit 2000 um 2,64 % zurückgeht, was in den Medien Ängste vor einem möglichen Aussterben der Menschheit ausgelöst hatte. Diese Ergebnisse sind jedoch umstritten, und eine Metaanalyse von Sonia Cipriani von der Poliklinik Mailand konnte sie nicht bestätigen. Auch Montgomerie fand in den Spermiogrammen der dänischen Samenspender keinen Hinweis auf einen Rückgang der Spermienkonzentration im Ejakulat. Montgomerie betont, dass die Spermienkonzentration im Ejakulat während der Pandemie nicht signifikant gesunken ist.
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Lateral episiotomy or no episiotomy in vacuum assisted delivery in nulliparous women (EVA): multicentre, open label, randomised controlled trial (Laterale Episiotomie oder keine Episiotomie bei Vakuumgeburt bei Nulliparae: kontrollierte, randomisierte, Open Label Multicenterstudie) Sandra Bergendahl, Maria Jonsson, Susanne Hesselmann et al.
In der kontrollierten, randomisierten, Open Label Multicenterstudie konnte nachgewiesen werden, dass eine laterale Episiotomie (Dammschnitt) bei Erstgebärenden mit Vakuumgeburt die Zahl der Verletzungen des analen Sphinkters (Schließmuskel) halbiert. Die im Britischen Ärzteblatt publizierten Ergebnisse zeigen parallel allerdings einen Anstieg der Wundheilungsstörungen.
Die Leitlinien raten bisher zu einem zurückhaltenden Einsatz der lateralen Episiotomie, da der Dammschnitt oft als schmerzhaft empfunden wird, insbesondere, wenn wie oben erwähnt, die Heilung durch eine Infektion verkompliziert wird. Eine weitere Gefahr ist das Weiterreißen des Schnittes und eine Verletzung des analen Sphinkters.
Eine häufige Indikation für die laterale Episiotomie ist die Saugglockengeburt bei Erstgebärenden, wobei Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen werden müssen. Die Evidenz dazu beruht bisher vor allem auf Beobachtungsstudien, deren Ergebnisse häufig verzerrt sind. Aus diesem Grund haben acht schwedische Forscher:innen zu dieser Frage eine randomisierte Studie durchgeführt. Zwischen 2017 und 2023 erklärten sich 6.100 schwangere Frauen, die ihr erstes Kind erwarteten, bereit, im Fall einer komplizierten Entbindung mit Saugglocke das Los entscheiden zu lassen, ob der:die Geburtshelfer:in eine laterale Episiotomie durchführt oder keine Episiotomie gemacht wird. Final wurden in der EVA-Studie („Episiotomy in Vacuum Assisted Delivery“) 702 Frauen auf zwei Gruppen randomisiert. Primärer Endpunkt war eine dritt- oder viertgradige Verletzung des Analsphinkters, die eine chirurgische Korrektur erforderlich macht. Dazu kam es in der Episiotomie-Gruppe bei 21 von 344 Frauen (6 %) gegenüber 47 von 358 Frauen (13 %) in der Vergleichsgruppe. Die Differenz von 7,0 Prozent ist mit einem 96-%-Konfidenzintervall von 2,5 bis 11,7 Prozentpunkten signifikant. Auf 14,3 Entbindungen mit Episiotomie wurde eine Verletzung des Analsphinkters verhindert (Number Needed to Treat). Die adjustierte Risk Ratio betrug 0,46 (0,28-0,78) und nach Berücksichtigung der Unterschiede in den einzelnen Kliniken 0,47 (0,23-0,97). Die Episiotomie halbierte somit das Risiko auf eine schwere Verletzung des analen Schließmuskels. Dem gegenüber stand ein Anstieg von Wundinfektionen und Wunddehiszenzen. Nach der Episiotomie kam es bei 32 Frauen (9 %) zu Wundinfektionen gegenüber 17 Frauen (5 %) in der Vergleichsgruppe. Die Differenz von 4,6 Prozentpunkten bedeutet eine „Number Needed to Harm“ von 21,7.
Wunddehiszenzen traten nach der Episiotomie bei 32 Frauen (9 %) auf gegenüber 12 Frauen (3 %) in der Vergleichsgruppe. Bei einer Differenz von 6,0 Prozentpunkten errechnet Bergendahl eine „Number Needed to Harm“ von 16,9. Andere Komplikationen wie Blutverlust, schwere Schmerzen, Granulome oder Narben, Fisteln oder eine chirurgische Nachbehandlung traten nach der Episiotomie nicht häufiger auf. Die Arbeit ist im Volltext kostenlos verfügbar.
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Pathophysiologie der Plazenta-Seneszenz ist bei peripartaler Kardiomyopathie und der Präeklampsie bei Maus und Mensch vergleichbar (Placental senescence pathophysiology is shared between peripartum cardiomyopathy and preeclampsia in mouse and human) Jason D. Roh, Claire Castro, Andy z. Yu et al.
Die peripartale Kardiomyopathie, die weltweit eine der häufigsten Ursachen für Müttersterb-lichkeit darstellt, könnte durch die Freisetzung bestimmter Moleküle aus der Plazenta verursacht werden, welche die Seneszenz des mütterlichen Herzens nach der Geburt fördern. Ein internationales Forscher:innenteam hat diese Hypothese in der Zeitschrift Science Translational Medicine mit experimentellen Studien unterstützt, die auf eine mögliche Behandlung hinweisen.
Ungefähr eine von 1.400 bis 3.500 Frauen entwickeln in der Spätschwangerschaft oder häufiger nach der Geburt eine schwere Herzinsuffizienz, die trotz Behandlung tödlich verlaufen kann. Die Ursachen für diese peripartale Kardiomyopathie sind häufig unbekannt. Die Plazenta wurde bisher als unwahrscheinlicher Verursacher angesehen, da die meisten Frauen erst erkranken, nachdem die Plazenta bereits geboren wurde.
Ein internationales Forscher:innenteam unter Beteiligung von Wissenschaftler:innen aus Hannover, Heidelberg und Marburg entdeckte jedoch eine Verbindung zur Plazenta, die die Versorgung des ungeborenen Kindes mit Sauer- und Nährstoffen sicherstellt und dabei zeitgleich mit Hormonen in den Stoffwechsel der Schwangeren eingreift. Bereits bekannt ist der Zusammenhang zwischen der Entstehung eine Präeklampsie und der Plazenta. Auch bei diesem Krankheitsbild kann es zu kardialen Störungen kommen.
Jason Roh vom Massachusetts General Hospital in Boston und Mitarbeiter:innen sind zufällig auf eine Verbindung zur peripartalen Kardiomyopathie gestoßen. Ursprünglich untersuchten sie den Seneszenz-assoziierten sekretorischen Phänotyp (SASP) bei älteren Erwachsenen, stellten jedoch fest, dass SASP auch bei Schwangeren mit peripartaler Kardiomyopathie in höherer Konzentration im Blut vorhanden ist. Der SASP besteht aus einer Reihe von Zytokinen, Immunmodulatoren, Wachstumsfaktoren und Proteasen, die von alternden Zellen freigesetzt werden. Bei jungen Schwangeren tritt dieser Phänotyp jedoch nur in einem Organ auf: der Plazenta, die gegen Ende der Schwangerschaft Alterungsprozesse durchläuft.
Die Forscher:innen konnten SASP tatsächlich in der Plazenta von Frauen nachweisen, die an Präeklampsie erkrankt waren, was darauf hindeutet, dass eine vorzeitige Alterung der Plazenta an dieser häufigen Störung beteiligt sein könnte. Besonders auffällig war das Protein Activin A, dessen Konzentration im Blut mit dem Schweregrad von Präeklampsie und peripartaler Kardiomyopathie korrelierte. Bei Mäusen kann die peripartale Kardiomyopathie durch die Entfernung eines Gens ausgelöst werden. An diesen Tieren testeten die Forscher:innen zwei mögliche Therapien. Die erste Therapie bestand aus der Behandlung mit dem Senolytikum Fisetin während der Schwangerschaft, was die Bildung von Activin A in der Plazenta unterdrückte und die Herzfunktion der Tiere verbesserte.
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Gesundheit von alleinerziehenden Müttern und Vätern in Deutschland. Ergebnisse der GEDA-Studien 2019-2023 Peter Rattay, Yasmin Öztürk, Raimund Geene, Stefanie Sperlich, Ronny Kuhnert, Hannelore Neuhauser et al.
Wissenschaftler:innen verschiedener Forschungsinstitutionen unter Federführung des Robert Koch-Instituts (RKI) haben Daten von 14.401 Müttern und Vätern im Alter von 18 bis 59 Jahren der regelmäßigen Gesundheitsbefragung „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA) aus den Jahren 2019 bis 2023 ausgewertet. Untersucht wurde der Gesundheitszustand von alleinerziehenden Müttern und Vätern im Vergleich zu Eltern, die in Partnerhaushalten leben, unter Berücksichtigung sozialer Unterschiede. Dabei wurden Prävalenzen für die selbst eingeschätzte Gesundheit, das Vorkommen chronischer Krankheiten, depressive Symptome, Rauchen und den Bedarf bzw. die Inanspruchnahme professioneller Hilfe wegen psychischer Probleme sowohl für Alleinerziehende als auch für Eltern in Partnerschaften berechnet.
Das Fazit der Forschenden lautet: „Für alleinerziehende Mütter und Väter finden sich bei allen Gesundheitsindikatoren höhere Prävalenzen als für in Partnerhaushalten lebende Eltern. Auch nach Adjustierung bleiben die Unterschiede zwischen den Familienformen weitgehend bestehen. Die Gesundheit alleinerziehender Mütter variiert zudem teils stärker mit Einkommen, Erwerbsstatus und sozialer Unterstützung als dies bei in Partnerhaushalten lebenden Müttern der Fall ist“. Der Volltext des Journal Health Monitoring ist hier und auf der Webseite des Robert Koch Institutes unter „Gesundheitsmonitoring“ verfügbar.
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