Online-Fortbildung Hebammenkreißsaal
Können Hebammenkreißsäle ein wichtiger Beitrag zur Lösung für die akuten Personalengpässe in der geburtshilflichen Versorgung sein und gleichzeitig die Qualität in der Geburtshilfe steigern? Welche politischen und strukturellen Rahmenbedingungen sind notwendig, um Hebammenkreißsäle flächendeckend zu implementieren und als festen Bestandteil der klinischen Geburtshilfe zu etablieren?
Diesen und vielen weiteren Fragen widmete sich am 01. Oktober 2024 die Veranstaltung „Politische Konzeption von Hebammenkreißsälen in Niedersachsen – Strategien zur flächendeckenden Implementierung“. Ziel war es, die Herausforderungen der Implementierung und Potenziale von Hebammenkreißsälen für die Geburtshilfliche Versorgung in Niedersachsen zu diskutieren und Wege zur Umsetzung aufzuzeigen. Organisiert wurde die Veranstaltung in Kooperation mit dem Hebammenverband Niedersachsen e.V., dem Aktionsbündnis Gesundheit rund um die Geburt in Niedersachsen, Mother Hood e.V. und dem Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung.
Julia Hinrichs, Hebamme im (Hebammen-)Kreißsaal Gehrden im Klinikum der Region Hannover, trug zum Einstieg der Veranstaltung einen persönlichen Geburtsbericht vor, der das Konzept des Hebammenkreißsaals aus Sicht einer Gebärenden beleuchtete. Für die „frischgebackene“ Mutter waren „der Klinik-Kontext sowie die Möglichkeit, im Notfall zügig medizinische Hilfe zu erhalten“ wichtige Kriterien und „die optimale Lösung, um in einem persönlicheren Kreis zu gebären und trotzdem medizinisch optimal eingebunden zu sein.“ Im Anschluss folgte ein Impulsvortrag von Andrea Köbke vom Deutschen Hebammenverband e.V., die das Konzept des Hebammenkreißsaals als zukunftsweisend für die Geburtshilfe vorstellte. Sie hob hervor, dass hebammengeleitete Kreißsäle eine sinnvolle Ergänzung zum interdisziplinären geburtshilflichen Angebot in Kliniken darstellen und dazu beitragen, den zunehmenden Fachkräftemangel zu entschärfen und eine hohe Betreuungsqualität zu gewährleisten.
In Deutschland existieren bereits wichtige Rahmenbedingungen, die dieses Modell unterstützen, wie die S3-Leitlinie zur vaginalen Geburt am Termin und das 9. Nationale Gesundheitsziel rund um die Geburt. Der aktuelle Koalitionsvertrag der Bundesregierung enthält eine klare Formulierung: dort wird beschrieben, dass eine „wohnortnahe und für Mütter und Kinder zugleich sichere Geburt“ höchste Priorität hat und dass in Anlehnung an das nationale Gesundheitsziel „Gesundheit rund um die Geburt“ der Hebammenberuf gestärkt werden soll. Zudem sollen „Fördermöglichkeiten des Landes für ambulante und außerklinische Geburtshilfe sowie für hebammengeleitete Kreißsäle“ geprüft werden.
Ein maßgeblicher Grund für die Implementierung von Hebammenkreißsälen ist die Evidenz über die positiven Effekte von hebammengeleiteter Geburtshilfe. Mit der Refinanzierung der Hebammenstellen, die ab dem 01.01.2025 über das Pflegebudget sichergestellt wird, ist die Basis geschaffen, die Stellenpläne im klinischen Setting finanziell abgesichert auszubauen und die 1:1- Betreuung durch Hebammen zu ermöglichen.
Im Anschluss sprach Staatssekretärin Dr.in Christine Arbogast ein Eröffnungsstatement, das die Podiumsdiskussion einleitete. Es sei zentral, die Autonomie der Frauen zu stärken und ihnen Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten und Entscheidungen rund um die Geburt zu vermitteln. Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett seien natürliche Prozesse, die keine ärztlichen Eingriffe erfordern, solange alles normal (ohne Risiko) verläuft. Diese Perspektive gehe jedoch oft im klinischen Alltag verloren. Es sei wichtig, anzuerkennen, dass Frauen ein Recht auf eine selbstbestimmte Geburt und eine gute und verlässliche Betreuung durch Hebammen haben, die eine Schlüsselrolle spielen. Die Krankenhausreform, so Dr.in Arbogast, soll einen Beitrag dazu leisten, dass Modelle wie der Hebammenkreißsaal zukünftig flächendeckend umgesetzt werden können.
Nach dem Eröffnungsstatement von Dr.in Arbogast bereicherten weitere Expert:innen, darunter Kimberley Schumacher von Mother Hood e. V., Hilke Schauland vom Hebammenverband Niedersachsen e. V., Dr. Karl-Heinz Noeding, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Helios Klinikum Hildesheim, sowie die Landtagsabgeordneten Dr.in Tanja Meyer (Bündnis 90/Die Grünen), Karin Emken (SPD) und Sophie Ramdor (CDU) die Podiumsdiskussion.
Aus dem Publikum kam als wesentlicher Aspekt die Frage auf, wie die Finanzierung und die strukturellen Rahmenbedingungen gestaltet werden müssen, um das Modell flächendeckend zu etablieren. Es gab den Hinweis auf die Förderkonzepte in anderen Bundesländern wie Hessen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg und es wurde eine ähnliche Unterstützung auch für Niedersachsen gefordert. Gleichzeitig wurde die Notwendigkeit betont, den politischen Willen zur Umsetzung zu stärken und den Hebammenkreißsaal als festen Bestandteil der Geburtshilfe im Krankenhausversorgungsgesetz zu verankern. Abschließend wurde auch die Problematik der zunehmenden Ausdünnung des stationären geburtshilflichen Versorgungsangebotes durch Abteilungsschließungen angesprochen. Hier bedarf es dringend eines transparenten Konzeptes, welche Standorte in jedem Fall erhalten bleiben müssen, damit eine sichere und vielfältige geburtshilfliche Versorgung für alle werdenden Eltern in Niedersachsen weiterhin gewährleistet werden kann. Hilke Schauland brachte es auf den Punkt: „Damit aus Lücken keine Löcher im Versorgungssystem werden, muss nun gehandelt werden.“
Ganz aktuell hat der Bundestag mit dem Krankenhausreformgesetz (KHVVG) die finanzielle Förderung des Hebammenkreißsaals nun gesetzlich verankert. Eine G-BA-Richtlinie wird die Umsetzung regeln, und eine Kommission mit Beteiligung von Hebammen wird verbindliche Personalvorgaben für die klinische Geburtshilfe erarbeiten. Nachdem der politische Wille nun deutlich formuliert wurde, gilt es jetzt, das vom DHV erarbeitete Konzept zur Einführung von Hebammenkreißsälen in Niedersachsen zeitnah und flächendeckend umzusetzen.
Am 25. Februar wird organisiert durch den Hebammenverband Niedersachsen eine Präsenzveranstaltung mit dem Titel Netzwerktreffen Hebammenkreißsaal im Pavillon Hannover stattfinden. Die Anmeldung zu der Veranstaltung ist bereits möglich.
Berichte zu dieser Veranstaltung sind auch im Ärzteblatt und in Springer Pflege erschienen.